Vitrinen für Duschgel? Säubern oder Sammeln?

Jonathan verbringt gerade viel zu viel Zeit mit dem Tauschen, Abheften und leider auch Online-Bestellen von Lego-Ninjago-Karten oder Pokemon-Karten. Beides finde ich ganz schlimm. Noch schlimmer ist fast nur der Satz: „Zu meiner Zeit hat es das nicht gegeben.“ Obwohl: Besser war das damals vielleicht auch nicht. Zu meiner Zeit gab es Panini-Alben mit vielen Bildern schlecht frisierter Fussballer. Und es gab Münz- und Briefmarkenalben. Ich hatte alles drei und im Nachhinein hat es mich weder reich, noch schlauer oder sonst irgendwas gemacht. Es war bei Regen eine Möglichkeit, die Zeit totzuschlagen ohne draußen nass zu werden. Auch, wenn es Kinder heute kaum glauben mögen: Es gab zu meiner Kindheit keine schnurlosen Telefone, keine Smartphones, keine Touchscreens, keine Spielekonsolen, keine Laptops, kein Internet. Dafür gab es bei nur drei verfügbaren Fernsehprogrammen nachmittags eine Sendepause mit Testbild.

 

Jonathan ist gerade acht Jahre alt und er hat im Keller nicht nur ein Schlagzeug, sondern inzwischen auch so etwas wie eine Beleuchtungsanlage, eine Discokugel, einen riesigen über Blootooth ansteuerbaren Lautsprecher und leider auch eine Nebelmaschine. Seither weiß ich, wie man ein Stockwerk höher den Rauchmelder mit dem Stiel der Klobürste schnell zum Schweigen bringt... 

 

Warum erzähle ich all das? Neulich fiel mir erneut auf, dass es in Super- und Drogeriemärkten kaum etwas gibt, das nicht irgendwie limitiert ist. Klar: Nörgler und Mathematiker werden anmerken, dass
etwas auch in der Auflage 2 Millionen rein rechnerisch irgendwie limitiert ist. Gemeint ist aber sicherlich, dass eine „Limited Edition“ etwas ganz Seltenes und Besonderes ist, was man jetzt sofort kaufen muss, um zu den wenigen Glücklichen zu gehören, die das limitierte Irgendwas ihr eigen nennen können. Da es das schon seit Jahren auch bei Duschgel gibt, scheint es ja zu funktionieren.
Bei anderen limitierten Sachen – Duschgel gehört bei einem Achtjährigen noch nicht dazu – klappt das auch schon bei Jonathan. Gefühlt alle vier Wochen gibt es die total seltenen, nur für kurze Zeit erhältlichen weißen Duplo-Schokoriegel zu kaufen. Die haben wir eigentlich immer im Schrank...
Ähnlich ist es mit Müllermilch-Karamell. Da ich hier käufliche Produkte erwähne., schreibe ich mal – VORSICHT WERBUNG! – hier hin. Die Firmen kennen meinen Blog nicht und ich erhalte weder Bargeld noch kostenlose Schokoriegel für die Erwähnung (Falls doch, möge man über die Kommentarfunktion oder per Nachricht an mich die Adresse erfragen, wo der LKW die Europaletten mit den Geschenken an mich abliefern soll.)

 

Ich habe das Thema „Limited Edition“ bei Duschgel mal zu Ende gedacht und mich an früher erinnert. Ziel beim Sammeln war es immer, ein Thema vollständig zu haben. Dafür war es meist nötig, ein ganz seltenes Stück irgendwie zu ergattern. Nur, wenn man alle Sammelbilder der Fußball-WM 1982 zusammen hatte, war man auf dem Schulhof der König. Wie ist das beim Sammeln von Duschgel. Treffen sich da Sammlergruppen zum Tauschen? „Ich gebe Dir zwei Flaschen SMELLS LIKE ORANGENHAUT, wenn Du mir dafür eine Flasche VOLLBART-VOLLBAD gibst.“ Und wie werden die vollständigen Kollektionen aufbewahrt und zuhause präsentiert? Ich habe mal einen bahnverrückten Sammler besucht. Der hatte in seinem Keller ca. 50 kleine Vitrinen an der Wand, in denen jeweils ein anderer Zug, im Maßstab HO,  der deutschen Bahn zu sehen war. Die sahen zwar irgendwie alle gleich aus, unterschieden sich für Kenner jedoch an der Farbe der Gummierungen rund um die Waggontüren. Übertragen auf Duschgel bräuchten Sammler also große Vitrinen, um ihre Schätze zu zeigen. Bei drei Neuerscheinungen einer Limited-Edition im Duschgel-Bereich käme man auf 36 Flaschen pro Jahr. Das sind 360 in 10 Jahren. Da nur postfrische Briefmarken hohen Sammlerwert genießen, würden Sammler von Duschgel selbstverständlich nur unbenutzte, verschlossene Duschgelflaschen sammeln.
In meinem durchaus bewegten Berufsleben habe ich auch mal Texte für ein Münzhandelshaus geschrieben. Wer bei „Werbetexter“ denkt, das sind Leute, die den ganzen Tag lachen, zwischen Prosecco, Bier und Capuccino wechseln und monatlich riesige Geldsummen auf dem Konto vorfinden, der irrt. Jedenfalls, wenn es um mich geht. Es war eine ziemliche Knochenarbeit, die deutschen Münzen der Kaiserzeit (19. Jahrhundert) stets mit ca. 2 DIN A 4-Seiten Text den Sammlern noch schmackhafter zu machen, als sie es (für die Sammler, und nur für die...) eh schon waren. Nachteil: Nach zwei Jahren hatte ich die Nase voll von dem Job. Vorteil: Heute wäre ich für diverse Geschichtsthemen, nicht nur für die deutsche Kaiserzeit, ein guter Telefonjoker bei Günther Jauch.

 

Schon damals gab es so genannte Silber-Gedenkprägungen. Recht billiges Edelmetall, das so aussah wie Münzen. Da es jedoch nur geprägtes Metall und kein Zahlungsmittel war, hatte es keinen realen Wert. Es war in etwa so wertvoll, wie der kostbare Stein, den Jonathan neulich am Strand gefunden hat. Damals, in den Neunzigern, sahen die Motive aus, als könnten es tatsächlich echte Münzen sein.
Jede royale Festivität wurde gefeiert und jedes größere Sportereignis. Da es Letzteres tatsächlich auch auf Briefmarken zu sehen gab, sind vermutlich viele auf die Werbung reingefallen (an der ich mich damals mitschuldig gemacht habe...).

 

Meine Lieblingsgeschichte (die wirklich so passiert ist): Der Münzhändler hat seine Produkte immer für 20 Tage zur Ansicht angeboten. Sammler aus den damals so genannten neuen Bundesländern haben sich die Teile bestellt, ca. 20 D-Mark dafür bezahlt und die Silbergedenkprägungen dann nach 20 Tagen zurückgeschickt, ohne das Geld zurück haben zu wollen. War ja nur zur Ansicht... Eigentlich ein spannendes Geschäftsmodell. Aber das war denn doch wohl ein Einzelfall.

 

 

Die Münz-Sammler von damals dürften heute eher nicht mehr aktiv sein. Wer überlebt hat, dürfte jetzt 80-100 Jahre alt sein. Da die Sammelthemen von damals nicht mehr so ziehen, gibt es inzwischen neue Produkte, um jüngere Menschen wieder für das Sammeln zu begeistern. Zwei davon habe ich hier abgebildet. Nachdem es keine echten Münzen mit Angela Merkel oder Herrn Steinmeier gibt (Großbritannien zeigt die Queen auf Münzen, Geldscheinen und Briefmarken. Deutschland tut sich da schwerer), kann man sich jetzt den Hulk oder Bud Spencer ins Album stecken – und das sogar in Farbe. Ob es da beim Anbieter nur ums Geld geht oder ob dahinter eine politische Aussage versteckt ist, lasse ich mal offen. Sämtliche Wortspiele mit Hulk und „Grün“, „die Grünen“ etc. erspare ich uns hier jetzt mal.

 

Ich denke, Jonathan wird langfristig nichts sammeln. Jetzt vielleicht noch Pokemon-Karten. Aber er wird sein Geld sicher lieber für technische Geräte ausgeben. Und für Sachen, die blinken, Krach machen oder beides. Schade eigentlich. Sammeln wäre so ruhig.

Sammelt Ihr oder Eure Lütten? Schreibt mir gern was in den Kommentar. Ich beantworte alle Beiträge.

 

Viele Grüße an alle

 

 

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