Lieber Männerbeauftragter...

…bisher ist meist nur von Deinen Kolleginnen, den Frauenbeauftragten, die Rede. Vielleicht finde ich
nicht immer sinnvoll, was die machen. Aber ihr Dasein hat wohl weiterhin seinen Sinn. Dazu meine erste Frage: Wie gendert man Erdinger Alkoholfrei? Ihredinger Alkoholfrei? Das könnte Ärger geben, wenn man das als Mann bestellt: „Ich hätte gerne Ihredinger...“

 

Aber zurück zum Thema: Gut, dass es Dich jetzt auch gibt, lieber Männerbeauftragter. In den letzten Jahren hätte ich Dich gern mehrfach angesprochen. Alle Welt redet über Frauenquoten. Mehr Frauen in die Chefsessel, mehr Frauen zu Polizei und Bundeswehr. Und dann gehe ich an Orte, an denen die Frauenquote bei fast 100% liegt. Und da habe ich als Quoten-Papa häufiger Randgruppenerlebnisse, die ich lieber nicht hätte. Dank Dir ist das sicherlich bald Geschichte.

 

Zwei Erlebnisse der letzten Tage – wirklich so passiert, nichts dazu erfunden: Bei einem sehr leckeren Geburtstagsbrunch ging ich mit Jamiro-Kai auf dem Arm, mit Windeln und was dazu gehört zum Windeln-Wechseln Richtung Toiletten. Eine weibliche Bedienung sah das und sagte so mittelfreundlich: „Einen Wickeltisch gibt es nur auf dem Damenklo. Dann muss das wohl eine Frau machen.“ Meine Antwort: „Da meine Frau schon los ist, möchten Sie vielleicht...“ Die Dame schien einen etwas anderen Humor als ich zu haben, guckte nur komisch und öffnete mir die Damen-Toilette.

 

Wer mit dem Thema Wickeln nichts oder nichts mehr zu tun hat, kann bis unter die Bilder scrollen. An alle anderen: Wieso ist das Thema Wickeltische weiterhin ein Problem? Alles mögliche ist standardisiert. Wer eine Gastronomie betreibt, muss Toiletten bereit stellen. Wer barrierefreie Räume hat, muss eine Toilette für Menschen mit Behinderungen haben. Es gibt Diskussionen darüber, ob es neben weiblich und männlich ein weiteres Geschlecht gibt. Aber es bleibt in Deutschland eine sehr sehr seltene Ausnahme, dass es entweder Wickeltische auf Damen- und Herrentoilette gleichermaßen gibt oder in einem für alle zugänglichen, geschlechtsneutralen Raum. Warum? Klappbare Wickeltische, die an der Wand hängen, nehmen wenig Platz weg und passen in fast alle Toiletten-Vorräume. Zudem gibt es in Herrentoiletten meist eh mehr Platz, da es aufgrund der Pinkelbecken oder –rinnen weniger „Boxen“ als bei den Damen gibt. Warum hängen da nicht überall Wickeltische? Stattdessen gibt es ab und zu Wickeltische auf der Behinderten-Toilette – auch blöd, weil ja jede Nutzerin/jeder Nutzer jeweils nur die Hälfte der dortigen Möglichkeiten nutzt und das Klo für andere blockiert. Am schönsten finde ich das Schild in Kiel, das Blaue auf den Bildern. Beim ersten Hinsehen dachte ich: Da sollen Männer auf dem Damenklo grillen. Spannend, welcher Gestank sich da durchsetzt. Naja, ist ja eh Wurst... Gemeint ist natürlich etwas anderes. Aber es bleibt die Frage: Warum wird bei Wickelgelegenheiten meist eine Frau abgebildet? Oder warum wird in Kiel ein wickelnder Mann gezeigt, der auf die Damentoilette gehen soll? Es gibt auch Zeichen, die nur ein Baby mit offener Windel zeigen (siehe dritte Abbildung). Da bleibt es offen, wer wickelt und vermeidet Missverständnisse. Denke nur ich so? Wer sich ähnliche Gedanken macht, schreibt bitte etwas in die Kommentare. Ich bin gespannt.

 

 

 

Das zweite Erlebnis: Da Jonathan zurzeit sehr quirlig ist, stellte mir eine Dame, die falsche Ernährung als Ursache befürchtete, folgende Frage: „Womit würzt Ihre Frau das Essen?“ Meine Antwort: „Gar nicht. Ich koche.“ Letztlich verlief das Thema im Sande, da offenbar kein Ernährungsproblem vorliegt. Jonathan ist eben lebhaft. Und das liegt nicht an falscher Ernährung. Er isst auch relativ normal – wenig aber normal. Jamiro-Kai hingegen schüttet sich Salz aufs Nutella-Brötchen und isst das dann. Bei Kindern ist das vielleicht ein großes Problem und ernährungstechnisch total falsch. Bei Tim Mälzer würde das als Cross-Over-Kitchen gefeiert werden.

 

Beide genannten Erlebnisse und die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen mir: Wir sind alle nicht so weit und nicht so fortschrittlich, wie Viele es gerne sagen. Es mag andere geben. Aber das Rollenverständnis scheint insgesamt mehrheitlich ein paar Jahrzehnte hinterher zu hinken.

 

Ich bin nicht dogmatisch und sage anderen nicht, wie sie leben sollen, weil nur ich weiß, wie es richtig ist. Jeder soll so leben, wie er will. Dennoch sehe ich oft Menschen, die anders leben könnten, wenn sie wollten. Wer was von seinen Kindern haben will, kann eventuell seine Arbeitszeit etwas reduzieren oder mal über einen Teil Heimarbeit nachdenken. Klar, einige können das nicht. Aber ich habe oft erlebt, dass solche Überlegungen, speziell von den Herren, schon gar nicht angestellt werden. Stattdessen macht „er“ zwei Monate Elternzeit und feiert sich jahrelang dafür. Fortschrittliches Verhalten sieht anders aus.

Es gibt Paare, bei denen die Frau mehr und sicherere Einkünfte hätte, als der Mann. Dennoch arbeitet sie weniger als er oder gar nicht. Da könnte was am Image getan werden. Wie gesagt: Oft ist es noch so, dass er arbeitet und sie mehr zuhause macht und das auch will. Das ist dann natürlich ok. Jeder. Wie er will.

 

Aber bin ich ein Faulenzer oder ein Weichei, weil ich mehr zuhause bin? Meine Frau arbeitet fast voll und das gern. Aber sie ist alles andere als „karrieregeil“ – eher das Gegenteil. Dennoch stellt man ihr Fragen im Beruf, die man sicherlich einem Mann nie stellen würde: „Der Job ist sehr anspruchsvoll und sie haben doch kleine Kinder. Wollen Sie das wirklich?“ Alle Männer, die so etwas schon im Beruf gehört haben, melden sich bitte bei mir. Andere haben ihr in den letzten Jahren versucht, ein schlechtes Gewissen einzureden – Thema „Rabenmutter“. Können Kinder nur bei Frauen gut aufwachsen?

 

Lieber Männerbeauftragter: Vielleicht kannst Du der – noch – Minderheit der schiebenden, kochenden, wickelnden Väter zu etwas mehr Selbstbewusstsein verhelfen. Liebe Frauenbeauftragte: Das könnten auch die Damen vertragen. Ich bekomme immer einen dicken Hals, wenn ich nach Kochrezepten such – ja, sowas mache ich…. – und in den Kommentaren, die zu nahezu zu 100% von Frauen stammen, ständig steht: „Meinem Göga hat es gut geschmeckt.“ Göga heißt Göttergatte. Würden Männer schreiben, es hat meiner Göttergattin geschmeckt. Oder heißt das dann „Göttinnengattin…? Solche Damen machen es vermeintlichen Machos leicht, so zu sein, wie sie sind.
Aber ist das ein Männerproblem? Das Internet ist leider voll davon. Auf vielen Foren zum Thema Kinder sind fast nur säuselnde Frauen unterwegs.

 

Solange sehr viele Frauen so denken, halte ich Frauenquoten für überdenkenswert. Bitte nicht falsch verstehen: Frauen sollen faire Chancen im Beruf haben und da ist noch viel Luft nach oben. Aber einige wollen, obwohl sie eine gute Ausbildung oder ein Studium haben, lieber zuhause bleiben. These: Hier und da können Quoten schwer erfüllt werden, weil es zu wenig Frauen gibt, die auf die entsprechenden Positionen passen und da auch hinwollen. Huiii, das könnte auch polarisieren. Aber Hauptsache, das hier liest jemand. Viele Grüße an alle!

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Kommentare: 2
  • #1

    Sabienes (Montag, 03 Dezember 2018 21:03)

    Nach meiner Theorie ist es ja, dass wir so lange keine wahre Gleichberechtigung haben, so lange wir noch eine Institution wie eine Frauenbeauftragte brauchen.
    Zu deinem Wickelproblem: Mein Mann hatte das Problem auch einige Male. Das letzte Mal glaube ich im Jahr 1995. Ich dachte, inzwischen wäre der Fall klar und soweit ich das weiß, gibt es sogar eine Verordnung dafür.
    Die Frau mit den Gewürzen: Auf gut Bayerisch nennt man sowas "Gscheitmeierei". Es gibt unendlich viele solcher Leute, besonders wenn es sich um die Haltung und Aufzucht von Kindern geht. Und sie sind sowas von nervig.
    LG
    Sabienes von www.sabienes.de

  • #2

    Schiebende Väter (Dienstag, 04 Dezember 2018 01:08)

    Liebe Sabiene,
    das Wickelproblem ist für mich kein wirkliches Problem. Es ist nur ein Beispiel dafür, dass oft propagiert wird, dass wir in einer modernen Gesellschaft mit entsprechendem Rollenverständnis leben. Aber dem ist nicht so. Sicher gibt es Bereiche, in denen Frauenbeauftragte immer noch sinnvoll sind - leider. Aber ich finde es genauso bedenkenswert, dass es auch viele Frauen gibt, die sich im alten Rollenbild ganz wohl fühlen. Das kann man finden wie man will, aber da helfen auch keine Frauenbeauftragten. Ich habe schon Damen darauf angesprochen und fühlte mich so gar nicht verstanden. Letztlich habe ich als Mann denen vorgeworfen, dass sie durch ihr Verhalten Machos gewähren lassen, so zu sein, wie sie sind. Irgendwie auch komisch...