Feiern, bis der Arzt nicht mehr kommt

 

Seit ich den in den Bildern gezeigten Werbebrief bekommen habe, denke ich andauernd darüber nach. „Einladung zur Taufe von Kiels neuer Feierhalle“ – hmm, das ist bestimmt eine V.I.P.-Einladung für mich, um mich bei der Einweihung einer neuen Party-Location bei lauter Musik kostenlos zu betrinken. Ich war schon lange nicht mehr auf solchen Veranstaltungen. Toll, dass ich da noch im Verteiler bin. Doch dann habe ich den Umschlag geöffnet. Eingeladen wurde ich zur Taufe von Kiels neuem Bestattungshaus. Jetzt geistern viele Gedanken und Fragen durch meinen Kopf: Ist eine Trauerhalle nicht speziell für Menschen, die nicht in der Kirche sind? Und ist eine Taufe nicht etwas christliches? Menschen und Schiffe werden getauft, damit es ihnen im Leben und unterwegs auf See gut ergeht. Aber ein Bestattungshaus taufen? „Und immer eine Hand breit Holz im Ofen...?“ Was soll das? Zur Einweihung gibt es Kinderbetreuung. Wie soll die aussehen? Haut der Kasper den Seppl tot und er wird dann feierlich in der neuen Feierhalle fröhlich eingeäschert? Komisch finde ich auch „Aus Betten Schmitz wird das Heinrich-Flenker-Bestattungshaus.“ Behalten die die Werbeschilder vom Vorgänger:

„Bei uns liegen Sie richtig“? Wir müssen ja alle sparen...

 

Oder ist die Feier eine verkappte Akquiseveranstaltung? Es gibt vergiftetes Fingerfood und KO-Tropfen-Cocktails. Für die Lütten lustige Fliegenpilz-Muffins?

 

Schräg auch der Gedanke, dass meine gesundheitlich etwas angeschlagenen Eltern fragen könnten: „Was habt Ihr denn so die letzten Tage gemacht?“ Und Jonathan antwortet: „Wir haben uns ein Bestattungshaus angesehen. Vielleicht seid Ihr nächstes mal auch dabei.“

 

Und es werden dort regelmäßige Veranstaltungen angekündigt? Was denn so? Kinoabende mit „Leichen pflastern seinen Weg“, präsentiert von der Kieler Fliesenlegerinnung.

 

Auf jeden Fall weiß ich jetzt, für welche Unternehmen ich zur Zielgruppe gehöre. Früher für Parties, bis der Arzt kommt. Heute für Veranstaltungen, zu denen der Arzt nicht mehr kommt. Oder nur, um einen Schein auszustellen.

 

Ich weiß: Mit dem Tod positiv umzugehen ist an sich eine sinnvolle Sache – wenn auch für den einen oder anderen schwer zu leisten. Aber jeder geht anders mit dem Thema um. Und daher finde ich den Brief vollständig daneben. Mag sein, dass ich auch damit Randgruppe bin. Aber ich neige dazu, mir die Veranstaltung mal anzusehen. Das mit der Kinderbetreuung lässt mir keine Ruhe.

 

Wie seht Ihr das? Sehe ich das zu eng? Findet Ihr den Werbebrief gelungen?
Ich freue mich auf Kommentare, Likes und was es sonst so gibt.

Ach so, passend zum Thema eines meiner Lieblingsstücke von Helge Schneider, der ein oft unterschätzter toller Musiker ist. Der kann weit mehr als „Katzeklo“:
My name is Peter, I´m old (Spotify-Link)

 

"Helge Schneider ist ein oft unterschätzter Musiker..." ist auch ein tolles Small-Talk-Thema, wenn das planlose Gesabbel auf langweiligen Parties zu politisch wird oder plötzlich um
Bayern München oder andere schlimme Dinge geht.

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