Die Zeiten haben sich geändert. Blöde Floskel, stimmt aber leider. Meine Oma war zwei Jahre jünger als ich, als
sie Oma wurde, als ich, als ich Vater wurde. Komplizierter und schlechter lesbar kann eine Einleitung wohl kaum lauten. Einfacher wäre gewesen: Sie wurde Oma mit 42, ich Vater mit 44 Jahren. Aber
wer es bis hier geschafft hat, darf sich freuen: Jetzt wird es einfacher zu lesen. Ob es auch leichter zu verstehen ist. Wer weiß...
Ich kann mich sehr genau an die Geburtstagsfeiern meiner Eltern erinnern, als sie so alt waren, wie ich
jetzt. Unglaublich. Und jetzt bin ich so alt. Wie ist das wohl für unsere Lütten, wenn die mal so alt sind, wie ich jetzt? Sie werden lachen, wenn sie von Facebook erzählen. Oder sich gar
nicht mehr daran erinnern. Jonathan fragt mich heute so Sachen wie: „Gab es früher keine Handys und Computer?“ Das ist leicht mit „Nein“ zu beantworten. Aber es bringt mich zum Grübeln.
Wie anders ist es heute mit Handys, Internet, zig Fernsehkanälen rund um die Uhr. Wie sehr hat mich früher nachmittags das Testbild im TV genervt. Ich habe nie verstanden, wozu es da ist.
Das Wort „Testbild“ dürfte schon aus dem Duden verschwunden sein oder bald verschwinden.
Aber das meinte ich alles nicht in der Überschrift. Jamiro-Kai ist bisher nicht so das Sprach-Talent.
Seit ca. 10 Monaten beherrscht er ein einziges Wort, das aus zwei unterschiedlichen Silben besteht: „Erdbeer“. Anfangs sagte er das zu Erdbeeren und wir dachten, dass ein paar Wochen
später sinnvolle weitere Worte dazu kommen wie: Banane, Apfel, Birne. Weniger gerechnet haben wir mit Worten wie Cantaloupe-Melone, Piemont-Kirsche oder Physalis. Jedoch stimmte nichts
davon. Bis heute kam kein weiteres Obst hinzu. Stattdessen ist jede Obst- und inzwischen auch Gemüsesorte „Erdbeer“. Bei den Worten mit einer Silbe hat er seine Sprachfähigkeiten auch
gewissermaßen gezipt. Alle Menschen, die ihm irgendwie wichtig sind, heißen „Mama“ – auch ich. Vielleicht möchte er damit ausdrücken, dass ich mich im Umfeld engagierter Mütter als Mann
wohler fühlen soll. Netter Versuch, klappt leider nicht.
Und dann kam neulich der große Moment, an dem er mehrfach sein zweites zweisilbiges Wort gesagt hat. Und
zwar eines, das er offenbar von seinem Bruder Jonathan übernommen hat (der das aus unerfindlichen Gründen seit ein paar Tagen viel zu oft sagt): „Alter!“.
Ich will ja nicht undankbar erscheinen. Er sagt das an Stellen, an denen es schon irgendwie passt und es
ersetzt ein „Oh“ oder „Wow“, was er sonst gesagt hat, wenn er sich wundert oder freut. Aber nach so langer Zeit hatte ich schon was anderes erwartet. Naja, jetzt ist „Alter“ unser neues
Problem – ach was, Probleme gibt es ja gar nicht. Es gibt nur Herausforderungen...
Für alle Bedenkenträger unter meinen Lesern: Wir nehmen das Thema „Sprechen lernen“ schon ernst und haben
seit einiger Zeit professionelle Hilfe. Dennoch gibt es auf dem Weg des Sprechen Lernens hier und da solche Geschichten, die ich loswerden muss. Gerade, weil wir mit Jonathan, der gefühlt
erst reden und dann laufen konnte, so ganz andere Dinge erlebt haben.
Vielen Dank für die Feedbacks zu meinen letzten Beiträgen.
Einen der nächsten Beiträge werde ich mit ein bis zwei Bildern illustrieren. Ich bin selbst schon
gespannt, welche das sein werden.
Einen schönen Wochenstart an alle!
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