Essen oder reden?

Wer zwei Kinder hat, wird bestätigen, dass beide Kinder meist total gegensätzlich sind. Unabhängig davon, ob es sich um leibliche Geschwister handelt oder um ein leibliches und ein Pflegekind. Bei Jonathan und Jamiro-Kai ist es aber schon recht extrem. Allein die „technischen Daten“ sind ungewöhnlich: Die beiden trennen vier Jahre, aber nur etwa 400 Gramm Gewicht. Als Jamiro-Kai bei uns einzog, trug er u.a. Bermuda-Shorts, die Jonathan zu klein geworden waren. Allerdings mussten wir die unten umkrempeln, damit die Hosenbeine nicht auf den Boden schlackern. Balsam auf meine Seele: Im ersten Urlaub zu viert sagten Menschen am Strand zu uns: Jonathan ist dem Papa wie aus dem Gesicht geschnitten, und Jamiro-Kai ist ganz die Mama. Kurzform: Der Dünne sieht aus wie ich, der etwas Dickere wie meine Frau.

 

Inzwischen hat sich Jamiro-Kais Körper deutlich gestreckt. Er trägt jetzt lange Hosen, die zum Teil gar nicht mehr umgekrempelt werden müssen. Was geblieben ist: Wir haben ein Kind, das mehr redet und weniger isst – Jonathan. Und wir haben Jamiro-Kai – die nette Buffet-Fräse – der panisch wird, wenn er etwas zu essen sieht, gerne isst und leider bisher nur ein einziges Wort mit zwei verschiedenen Silben spricht: Ardbeer. Und das sagt er seit ca. 8 Monaten. Er sagt auch Mama, Da oder Bau. Nur wir wissen jedoch, dass jedes dieser Worte für ca. 10 verschiedene weitere Worte steht. Aber sprechen lernen geht denn meist deutlich anders und schneller. Ardbeer ist übrigens das Synonym für alle Obst- und Gemüsesorten, die es gibt. Und Mama sagt er auch zu mir. Da ist es wieder: Mein Randgruppen-Trauma.

 

Im Gegensatz dazu hat Jonathan schon immer lieber geredet, als gegessen. Das war anfangs sehr niedlich und ist inzwischen oft sehr anstrengend. Statt Dinge einfach zu tun oder geschlossene Fragen mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten, wird über alles diskutiert. Das fing sehr früh an und wir erinnern uns noch heute gern an eine U-Untersuchung, bei der Jonathan noch nicht einmal drei Jahre alt war. Er sollte Bilder erkennen und dabei die gezeigten Gegenstände benennen. Auf der ersten Karte war eine Tasse zu sehen. Jonathan sollte „Tasse“ sagen, sagte aber: „Aus so einer Tasse trinke ich sonntags immer aufgeschäumte Milch aus unserer Latte-Macchiato-Maschine.“ Weitere Karten bekam er dann nicht mehr gezeigt…

Etwas später kam die Warum-Phase. Dabei stellte Jonathan beim Autofahren so sinnvolle Fragen wie: “Warum ist da eine Kurve?“ oder „Warum stehen da grüne Bäume?“. Anfangs habe ich versucht, sinnvolle Antworten zu finden. Der Junge soll ja schlaue Fragen stellen, aber am besten noch schlauere Antworten bekommen. Nach der zehnten Frage dieser Art riss mir der Geduldsfaden und ich sagte: “Nimm´s einfach hin!“. Darauf antwortete Jonathan seelenruhig: „Wohin denn?“. OK, ich habe aufgegeben. Das letzte Wort des Tages hatte er, mir fiel nichts mehr ein, was ich hätte sagen können.

Jamiro-Kai ist jetzt fast drei und sagt weiterhin nur „Ardbeer“. Wenn er sonntags mit zum Brötchen holen geht, fängt er sofort an hysterisch zu schreien, wenn er beim Bäcker die dort ausliegenden Backwaren sieht. Die freundlichen Bäckereifachverkäuferinnen, die uns schon kennen, werfen ihm dann schnell ein Milchbrötchen zu, damit die anderen Kunden halbwegs ungestört weiter einkaufen können und Jamiro-Kai nicht kollabiert.

 

So lustig das auch alles klingen mag: Mit einem ständig redenden und eher selten gehorchenden Sohn und einem ständig hungrigen Sohn, der in alles reinbeißt, was in den Mund passt, ernte ich häufig sehr mitleidige Blicke von vermeintlich erfahrenen Eltern oder Großeltern. Vielleicht bin ich da etwas überempfindlich. Aber als Mann mit zwei Jungs sehe ich hin und wieder schon andere Blicke, wenn sich die Jungs bei mir komisch benehmen, als wenn meine Frau dabei ist. Väter sind in den Köpfen vieler Menschen anscheinend weiterhin die Teilzeit-Papis, die abends spät in der dunklen Limousine von der Arbeit nach Hause kommen, wenn die Lütten schon schlafen. Am Wochenende fährt Papi dann mit den lieben Kleinen zu McDonald´s und ist der Held, bei dem alles erlaubt ist. Schade, dass der nicht immer da ist, denken einige Kinder sicher. Ich bin fast immer da. Ob das für Jonathan und Jamiro-Kai ein Grund zur Freude ist, hoffe ich zwar, aber ich weiß es nicht. McDonald´s gibt es weder wochentags noch am Wochenende. Stattdessen Mikrowellen-Currywurst und Backofen-Pommes, wenn wir „Männer-Abend“ haben, das heißt, wenn wir zu dritt und nicht zu viert zu Abend essen.

 

In der Ankündigung meiner Blogtexte habe ich mal was von Kochrezepten geschrieben. Inzwischen sehe ich das etwas anders. Der Grund: Es gibt so viele Seiten im Internet mit wirklich guten Rezepten. Und für Doofe (zu denen ich mich manchmal auch zähle), gibt es inzwischen zu spannenden Gerichten Filme, die die einzelnen Schritte von der Zutat zum fertigen Essen zeigen. Folglich ist es eher sinnlos, wenn ich hier Rezepte poste, die alle eh irgendwie kennen oder anderweitig finden können. Meine Lieblingsseite im Internet ist www.chefkoch.de. Nein, ich werde nicht von denen gesponsert und bekomme nicht mal einen Backlink für die Erwähnung. Es ist einfach toll, dass man dort vermeintlich nicht zusammen passende Zutaten in die Rezeptsuche eingeben kann und meist gleich mehrere wirklich leckere Rezepte als Suchtreffer bekommt.

 

Dennoch ein Küchentipp von mir: Nehmt doch bei Rezepten, in denen Backpulver vorkommt, stattdessen Natron. Jedenfalls, wenn das Ergebnis wie Pfannkuchen oder Waffeln fluffig werden soll. Und im Zweifel immer ein Ei mehr – aber das haben wohl schon alle Mütter und Omas ihren Kindern weiter gegeben. (Von Vätern und Opas kommen bisher wohl eher andere Tipps)

 

Mein Gott, ich beschwere mich wortreich über das Schubladendenken und Rollenverständnis in unserer Gesellschaft und gebe jetzt Haushaltstipps... Bisher hätte ich zu dem Thema nur Otto Waalkes zitiert: Fettflecken halten länger, wenn man sie regelmäßig mit Butter beschmiert.

 

Aber vielleicht sind Haushaltstipps die Geheimtür zu mehr Lesern? Ich freue mich weiterhin über Kommentare, Fragen, Ideen und Wünsche. Ich verspreche, ich versuche alles in die Tat umzusetzen, was an mich heran getragen wird.

Viele Grüße an alle!

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Kommentare: 2
  • #1

    Kerstin (Montag, 26 Februar 2018 06:52)

    Ein schöner Artikel mit Lach-Faktor.
    Haushaltstipps von einem Randgruppenmitglied wären toll.

  • #2

    Ellen (Donnerstag, 06 September 2018 13:26)

    Hallo,
    feiner Artikel. Habe ordentlich geschmunzelt und finde die norddeutsche Namen-Variante Jay Kay's Band ganz großartig!