Lieber Au-Pair als Opa?

Zur Randgruppe wird man gemacht oder man macht sich selbst dazu. Letzteres ist mir auf einer Gartenparty passiert. Es waren ca. 20 Erwachsene und eben so viele Kinder dort. Als Jonathan mit dem Sohn der feiernden Familie mit Spielzeug-Handschellen zu uns kam, sagte ich: „Du sollst doch nicht bei anderen Leuten ins Schlafzimmer gehen!“. Ein paar Gäste lachten. Aber längst nicht alle. OK, die Bemerkung hätte ich mir sparen sollen.

 

Gleiches gilt für die Frage, die mir ein kleiner Hüpfer beim Kinderturnen gestellt hat. Dazu muss man wissen, dass das Kinderturnen samstags um 10 Uhr angefangen hat. Eine Uhrzeit, zu der weder Jonathan noch ich wussten, wie wir in diese volle Turnhalle gekommen sind. Egal. Und dann diese Frage: „Bist Du Jonathans Opa?“.


Na gut, ich bin über 50 und mir ist mein Alter eigentlich egal. Aber die Frage hat mich dann doch so geschockt, wie damals, als ich im Bus das erste Mal gesiezt wurde.

 

Dazu der abgedroschene Schenkelklopfer: Man ist so alt, wie man sich fühlt. Ich bin heute 78.

 

Aber die Liste meiner negativen Erlebnisse ist noch länger. Als Quotenmann bin ich es ja gewohnt, überall eher einsam zu sein, wenn sich größere Gruppen Latte-Macchiato trinkender Mütter über irgendwas unterhalten, wo ich nur stören würde. Je nach Gruppe könnte ich der Vater der jungen Hühner sein. Und „Papa“ würde bei Diskussionen über Frauenthemen nur stören.

 

Aber junge Mütter treten ja nicht nur im Rudel auf. Sondern auch einzeln. Wenn Jonathan sich damals als Dreijähriger verabredet hat, kamen meist Kindergartenfreunde zu uns nach Hause. In dem Alter meist in Begleitung der jeweiligen Mutter. Und in einem Fall noch mit einem neugeborenen Geschwisterkind.

Als höflicher Mensch habe ich dann immer etwas zu Essen und Trinken für Groß und Klein angeboten. Bloß für „ganz ganz klein“ hatte ich nichts im Angebot. Folglich begann irgendwann das Stillen des besuchsbegleitenden Babys. OK, viele Männer fänden es nicht unreizvoll, wenn eine junge Frau zu ihnen nach Hause kommt und erstmal eine Brust freilegt. Aber mir war es eher peinlich. Ein paar Sekunden konnte ich durch Gänge in die Küche und zur Toilette gewinnen. Aber das Stillen dauerte meist länger. Unsere damalige Wohnung war zwar recht groß. Aber nicht so groß, dass der Weg in die Küche zehn Minuten gedauert hätte...

 

Obwohl ich mich um Dinge kümmere, die früher fast ausschließlich den Damen vorbehalten waren, sehe ich mich nicht als „Hausmann“. Genauso wenig ist meine Frau eine „Karrierefrau“, nur weil sie fast Vollzeit arbeitet. Umso mehr ärgert es mich, wenn sich Komplimente für die Arbeit meiner Frau in ihrem Kollegenkreis so äußern: „Wie machen Sie das eigentlich? Job und zwei Kinder. Sie haben doch sicher ein Au-Pair?“. Nach Abschwellen meines dicken Halses würde ich diesem Menschen gern antworten: „Oui, je suis Patrice, Au-Pair-Boy bei Jonadan und Jamiro-Kääi.“

 

Wenn ich dann noch an anderer Stelle als „Küchenchef“ angesprochen werde, reicht es. Wo leben wir denn? Oftmals ist zu hören oder lesen, dass unsere Gesellschaft ach so weit ist zum Thema „Vereinbarkeit von Kindern und Beruf“. Aber wieso ist dann noch das Schubladendenken in den Köpfen? Wieso kann immer nur einer/eine arbeiten und der/die andere bleibt komplett zuhause? Vereinbarkeit kann doch heißen, dass sich alles auf beide vermischt – wie auch immer das prozentual aussieht. Auf jeden Fall nicht 100%:0% oder 0%:100%.

 

Auf diese Weise ist meine Frau auf jeden Fall als Quotenfrau ebenso Randgruppe, wie ich. Sie hat nur weder Zeit noch Lust auch einen Blog zu schreiben. Schade. Eigentlich müssten wir uns abends in einen therapeutischen Stuhlkreis setzen, um unsere tagtäglichen Erlebnisse gemeinsam zu verarbeiten. Aber da zwei Stühle keinen Kreis ergeben, lassen wir das.

 

Ich warte weiterhin auf Gleichgesinnte oder komplett Andersdenkende. Vielleicht kann ich schon bald Kommentare zu dem lesen, was ich hier verzapfe. Das würde mich sehr freuen – egal ob positiv oder negativ. Bis dahin oder bis zum nächsten Text erstmal tschüß!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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